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Frankreich ist und bleibt Kolonialmacht und die Schweiz profitiert davon

Frankreich hat mit dem CFA ein Mittel, 15 afrikanische Länder zu kontrollieren und ihre Rohstoffvorkommen zu plündern. Die westlichen Länder, der IMF und die Worldbank schauen tatenlos zu und profitieren davon.

Lesezeit: 07 Minuten 50 Sekunden

Heute reden wir über nach wie vor aktiv betriebenen französischen Kolonialismus und wie 15 afrikanische Länder darunter leiden. Bis vor 1.5 Jahren hatte ich keine Ahnung davon und ich bin immer noch geschockt ob der inexistenten öffentlichen Diskussion. Das Lernen über den CFA, den "franc de la Communauté financière africaine", und die damit einhergehende Ausbeutung eines halben Kontinents haben mir die Augen geöffnet. Der dringende Bedarf nach einem Plan B wurde spätestens nach dem Einlesen in die Materie sonnenklar. Doch weg vom persönlichen Befinden, worum geht es genau?

Das Wichtigste in Kürze

  1. Französischer Kolonialismus ist so aktuell wie eh und je. Frankreich, die EU und die Schweiz profitieren hier und heute von der Ausbeutung afrikanischer Länder

  2. Der CFA Franc wurde 1945 eingeführt und hat sich bis heute um 99.9% abgewertet

  3. Die Geldpolitik wird noch heute von Frankreich gesteuert und 15 afrikanische Länder haben kein Mitspracherecht

  4. Frankreich profitiert von günstigen Rohstoffpreisen, Reservevorschriften und direkten Zahlungen

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Was ist der CFA?

Starten wir diese Erklärung mit der Geschichte von Fodé Diop. Fodé wuchs in Senegal auf und reiste im Herbst 1993 als 18 Jähriger in die USA. Er konnte den Traum eines Studiums in Angriff nehmen. Sein Vater hat ihn schon früh inspiriert und das Interesse an Technologie geweckt. Die Freude und das Talent am Basketball erledigten den Rest und ermöglichten ihm verschiedene Studienplätze in den USA. Seine Familie wollte ihm diesen Schritt ermöglichen und sahen eine glorreiche Zukunft für Fodé. Deshalb sparten sie soviel wie irgendwie möglich.

Doch der 12. Januar 1994 änderte alles. Die Familie Diop hat über Nacht 50% ihres Ersparten verloren und Fodé musste sein Studium abbrechen. Die Familie konnte sich das Leben des jungen Fodé nicht mehr leisten. Sie haben das Geld aber nicht verspekuliert und wurden auch nicht ausgeraubt. Nein, ihre Landeswährung wurde von einem 5'000 km von Senegal entfernten Land über Nacht und ohne Vorankündigung um 50% abgewertet. Paris hat den Wechselkurs von 1:50 Franc zu CFA auf 1:100 Franc zu CFA geändert.

Herzlich willkommen in der Welt des CFA, des "franc de la Communauté financièere africaine"

Was sich wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit anhört, ist für 15 afrikanische Länder leider immer noch aktuell.

Der CFA wurde 1945 von Charles de Gaulle nach dem zweiten Weltkrieg für die Kolonien von Frankreich eingeführt. Und zwar hat man Hitler's Modell der faschistoiden Geldpolitik übernommen. Hitler hatte während des zweiten Weltkriegs die Gold- und Rohstoffreserven der eroberten Länder geplündert, ihre Währung (bspw. in Frankreich und der Tschechoslowakei) an die Reichsmark angebunden und kontinuierlich entwertet. In vergleichbarer Art und Weise hat Frankreich den CFA für die Kolonien mit einer Rate von 1:2 (ein CFA war 2 Franc wert) im Jahre 1945 eingeführt.

In den 60er Jahren erkannte man, dass man den politischen Kolonialismus wohl aufgeben muss. Nicht aber den Monetären. Daran konnte man weiterhin festhalten. Und so wurde der CFA kontinuierlich abgewertet und die Länder unter den Fittichen von Frankreich gehalten.

Als Ende der 90er Jahre der Euro eingeführt wurde, war ein CFA noch 0.01 Franc wert. Eine Abwertung von mehr als 99.9% über die gesamte Laufzeit. Initiiert und verantwortet durch ein europäisches Land.

Bis zum heutigen Tag sind 15 Länder (Senegal, Mali, Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Togo, Benin, Burkina Faso, Niger, Kamerun, Chad, Zentralafrikanische Republik, Gabon, Äquatorial Guinea, Kongo und die Komoren) und damit einhergehend 183 Millionen Menschen davon betroffen. Und zwar nicht von den Spätfolgen - sondern hier und heute aktiv davon betroffen.

Wie funktioniert der CFA und wie profitiert Frankreich davon?

Seit der Einführung des Euro hat die direkte Abwertung abgenommen. Die Anbindung an den Euro ist relativ stabil, dafür sind andere Auflagen nach wie vor aktuell. Diese sind:

  1. Keine Mitsprache: Die 15 Länder haben keine demokratische Möglichkeit, ihre eigenen Interesse durchzusetzen. Wohl gibt es zwei Notenbanken in den betroffenen Ländern (Die BCEAO in Senegal und die BEAG in Kamerun), diese haben aber keine Entscheidungsmacht. Entscheidungen, wie bspw. die Einführung und die Anbindung an den Euro, werden ohne Berücksichtigung der betroffenen Länder getroffen.

  2. 50% Reservepflicht: Alle betroffenen Länder sind verpflichtet, mindestens 50% ihrer Reserven in Frankreich zu halten. Die Länder sind sehr rohstoffreich (Uranium, Chromium, Kobalt etc.). 50% aller Erlöse dieser Rohstoffe müssen in von Frankreich verwalteten Konten gehalten werden. Früher waren dies 100%, ab 1970 dann noch 65% und heute schliesslich 50%. Diese Reserven werden dann in französische, europäische und andere Staatsanleihen angelegt. Das Geld arbeitet, ohne dass die CFA Staaten profitieren. Ausserdem hält Frankreich 90% aller Goldreserven (ca. 36.5 Tonnen) der betroffenen Staaten.

  3. Rohstoff Vorkaufsrecht: Weiter hat Frankreich nach wie vor ein Vorkaufsrecht für alle Rohstoffe zu vorteilhaften Konditionen. Ausserdem müssen die Investitionsaufträge der Länder primär an französische Firmen vergeben werden. Erst wenn Frankreich ablehnt, darf der globale Markt angegangen werden. Damit kann Frankreich strategische Mineralien in ihrer Landeswährung kaufen, ohne die eigenen Reserven zu schröpfen.

  4. Operationskonten: Der CFA ist nicht frei handelbar. Sämtliche ausländischen Transaktionen müssen durch operative Konten in Frankreich geschleust werden. Verkauft also bspw. ein Kaffeeproduzent der Elfenbeinküste an China für USD 1 Mio Kaffeebohnen, dann wird der Yuan zuerst am französischen Devisenmarkt gewechselt, bevor er dann in CFA lokal gutgeschrieben wird. Und das auch immer noch auf der durch Frankreich kontrollierten CFA Nationalbank. Das kommt mit Kontrollverlust und aber auch mit unerhörten Transaktionskosten.

  5. Administrationskosten: Jedes Jahr bezahlen die betroffenen Länder EUR 45 Millionen an Frankreich für die Herstellung der Münzen/Noten und die Verwaltung der oben genannten Konten.

Frankreich als federführende Partei steht natürlich direkt in der Verantwortung und hat auch am meisten davon profitiert. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die EU und auch die Schweiz zu den Profiteuren gehört. Das ist auch der Grund, wieso bspw. der IMF, die Worldbank und Frankreich selber sämtliche Revolutionsbegehren im Keim erstickte (spannende Tweets dazu hier und hier und weitere Informationen im letzten Abschnitt dieses Newsletters). Weshalb man korrupte Despoten jahrelang nicht nur finanziell unterstützte, sondern auch sicherstellte, dass sie an der Macht bleiben. Die anderen europäischen Länder standen ruhig daneben und freuten sich ob der günstigen Rohstoffpreise.

Nix da mit "Liberté, egalité, faternité". Wohl eher "tyrannie, égoïsme, exploitation".

In der Schweiz müssen wir immer mal wieder französischen Atomstrom importieren. Seien wir uns bewusst, dass das Uranium auch im Jahre 2022 aus unschuldig ausgebeuteten Ländern kommt. Und zwar werden nicht "bloss" Einzelpersonen in Minen von privaten Firmen ausgenutzt. Nein, 15 Länder mit 183 Millionen Einwohner dienen als blutiger Honigtopf europäischer Demokratien. Es ist höchste Zeit, hier Fragen zu stellen.

Welche Implikationen hat das auf die betroffenen Länder?

Die obenstehenden Ausführungen sind vielleicht noch etwas schwer zu greifen. Aber die Auswirkungen dieses über 70-jährigen Regimes sind gravierend und könnten dramatischer nicht sein. Dazu ein paar Fakten:

  • Das BIP pro Kopf (adjustiert nach Inflation) liegt bei ca. USD 1'700 pro Jahr in der Elfenbeinküste. Ende der 70er Jahre lag es bei USD 2'500. Während also die ganze Welt in rasantem Tempo wuchs, hat die Wirtschaftsleistung in betroffenen Ländern in über 50 Jahren ca. 30% abgenommen. Zum Vergleich, das BIP der Schweiz hat sich im gleichen Zeitraum von ca. CHF 4'500.- auf über CHF 84'000.- pro Kopf fast verzwanzigfacht.

  • 10 CFA Nationen erreichten die höchsten Einkommen pro Kopf vor dem Jahr 2000. In Gabon bspw. mass man das höchste durchschnittliche Einkommen im Jahre 1976. Seither ist es über 50% eingebrochen.

  • Unglaubliche 10 der 15 Nationen werden von der UNO neben Haiti, Yemen und Afghanistan als die am wenigsten entwickelten und ärmsten Länder aufgeführt.

Der senegalesische Politiker Amadou Lamine-Guèye fasst das CFA-System treffend zusammen: "Die Bürger haben nur Pflichten und keine Rechte. Die Aufgabe der kolonialisierten Gebiete besteht darin, massiv über den eigenen Bedarf zu produzieren. Im Gegensatz zu ihren eigenen Interessen, ermöglichen sie lediglich Frankreich und den Europäern einen besseren Lebensstandard und eine sichere Versorgung."

Die betroffenen Länder hatten gar nie ein faire Chance sich zu entwickeln. Der Aufbau einer funktionierenden Wirtschaft und Demokratie auf einem solchen System ist unmöglich.

Es ist vergleichbar mit dem Bau eines Hauses auf Treibsand. Ein Team aus den besten Architekten, Handwerker und Bauführer könnten Tag und Nacht arbeiten - das Haus wird nie stehen.

Wo finde ich mehr Informationen dazu?

Die Geschichte des CFA und die immer noch skandalöse Situation ist sehr emotional und könnte auch noch weit länger ausgeführt werden. Für den Moment verweise ich gerne auf weiterführende und aufschlussreiche Literatur.

Als Erstes können wir jetzt endlich den Bogen wieder zurück zu Fodé Diop spannen. Fodé liess sich nämlich nicht unterkriegen, hat sich das Programmieren beigebracht und engagiert sich sehr in der Schulung und Weiterentwicklung von Bitcoin in Afrika. Er ist auch der Hauptprotagonist in der ausführlichen Lektüre von Alex Gladstein, CSO der Human Rights Foundation. Alex hat mir persönlich mit seinen Essays die Augen geöffnet und ist federführend in der Verbindung der Bitcoin Szene mit Friedensaktivisten. Darüber hinaus ist er Organisator des Oslo Freedom Forum. Drei wichtige Ressourcen von ihm zum CFA:

Weitere sehr spannende Ressourcen zum Thema:

Und eher noch kurzweilige Artikel generell zum Nachdenken:

So, das wär's vorerst. Es ist ein sehr emotionales, aber trotzdem weitgehend unbekanntes, Thema. Ich hoffe, immerhin ein klein wenig Licht auf die Thematik geworfen zu haben und würde mich über weitergehende Diskussionen und Recherchen freuen.

Zu guter Letzt bleibt zu sagen, dass wir seit 2009 und der Entdeckung von Satoshi Nakamoto eine Möglichkeit haben, solche von Mensch gemachten Gräueltaten zu verhindern. Dafür gilt es weiter optimistisch zu bleiben, sich für die Weiterbildung der Mitmenschen einzusetzen und das Lachen nicht zu vergessen. Deshalb schliessen wir auch diese Woche mit dem Meme of the Week:

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