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War ein Schweizer an der Kreation von Bitcoin beteiligt?
Die vierzigjährige Forschungs- und Entwicklungsarbeit hinter Bitcoin. Wer war dafür verantwortlich, worauf baut die Technologie und was sind die zentralen Werte der ersten Bitcoiner?
Lesezeit: 08 Minuten 25 Sekunden
War ein Schweizer an der Kreation von Bitcoin beteiligt?
Im Herbst 2021 sass ich im Publikum einer Banking Konferenz. Bei der durch Reto Lipp (SRF Eco Talk Moderator) geführten Podiumsdiskussion ging es um Kryptowährungen. Unter anderem nahm der VRP einer der beiden regulierten Schweizer Krypto-Banken teil. Auf die Frage nach dem Ursprung dieser neuen Anlageklasse meinte dieser tatsächlich, dass Bitcoin aus einem Witz heraus entstand und jetzt aber genug Leute daran glauben. Deshalb hätten diese Währungen nun einen Wert. Ich habe fast mein Buffet-Gipfeli verschluckt.
Das ist komplett falsch. Zum einen sagt es einiges über die Krypto-Industrie und warum sie nicht mit Bitcoin in einen Topf geworfen werden sollte. Zum anderen ist es respektlos gegenüber der fast vierzigjährigen Entwicklungsarbeit, die schlussendlich zu Bitcoin führte.
Das Wichtigste in Kürze
Bitcoin ist keine plötzliche Erfindung, sondern baut auf vierzig Jahren Entwicklung auf. Es ist eine Entdeckung, ein Zusammenführen bestehender Entwicklungen.
Die Angst vor einem Überwachungsstaat à la Orwell resp. das Bedürnis nach einer freien, zensorfreien digitalen Welt stand am Ursprung der Cypherpunk – und damit der Bitcoin – Bewegung.
Erst Dezentralisierung und Verbindung von digitaler Verschlüsselung mit Geldpolitik nach Vorbild der Ökonomen Friedrich Hayek & Murray Rothbard verhalfen schlussendlich zum Erfolg.
Adam Back, einer der tragenden Figuren der Cypherpunk Bewegung, hat Schweizer Wurzeln.
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Pre-Bitcoin: Wer hat mit welchem Ziel an der Entwicklung von digitalem Geld gearbeitet?
Das Ganze startete in den 70er Jahren durch die US-Akademiker Merkle, Diffie & Hellemann. In den 70er und 80er Jahren stand die Verschlüsselung privater Nachrichten im Vordergrund. Die genannten Akademiker haben 1977 das Patent für die Technologie eingereicht, die später zu PGP (Pretty Good Privacy) und noch später zum heute sehr beliebten Messenger «Signal» führten. Offenbar haben Regierungen und Geheimdienste das Überwachungspotenzial digitaler Kommunikationskanäle schon damals erkannt. Teilnehmer einer Konferenz, bei der diese Technologie vorgestellt wurde, wurden durch die NSA gewarnt. Es sei illegal da zu partizipieren.
Der NYT Journalist David Burnham veröffentlichte 1983 das Buch mit dem Titel «the rise of the computer state». Darin nahm er einige Thesen aus dem Klassiker «1984» von George Orwell auf und warnte eindringlich davor, dass die Computerisierung zu einem noch nie dagewesenen Überwachungsstaat führen werde. Er forderte regulatorische und juristische Gegenmassnahmen.
Eine Gruppe rund um die oben genannten Programmierer hatten andere Ideen. Sie sahen sowohl das Potenzial als auch die Gefahren der digitalen Zukunft. Sie glaubten allerdings nicht daran, dass Gesetze und Regulierungen die Lösung seien. Früher oder später würden diese immer gebrochen oder angepasst werden. Sie wollten Software programmieren, die von niemandem zu stoppen ist.
Die offensichtlichen Interessenskonflikte zwischen Regierungen und freiheitsliebenden Programmierern spitzten sich im Jahre 1993 zu. Da hat die Clinton Regierung Phil Zimmermann, den Kopf hinter PGP (Pretty Good Privacy) angeklagt. Sie sahen verschlüsselte Kommunikation als derart gefährlich, dass sie die Entwickler hinter Gitter bringen wollten.
Zur fast gleichen Zeit nahm die programmierende Protestbewegung weiter Form an. Und zwar entstand 1992 eine Mailing Liste sogenannter Cypherpunks. Diese kamen zusammen, um übergriffige Staaten zu stoppen und Bürger zu schützen.
Eric Hughes, Privatsphären Aktivist und einer der Haupttreiber der Cypherpunk Liste, hat ein immer noch gültiges Cypherpunk Manifesto veröffentlicht. Die wichtigsten Punkte daraus sind:
«Privacy is necessary for an open society in the electronic age. Privacy is not secrecy. Privacy is the power to selectively reveal oneself to the world. (…) We the Cypherpunks are dedicated to building anonymous systems. (…). Cypherpunks write code. (…) Our code is free for all to use, worldwide. We don’t much care if you approve of the software we write. We know that software can’t be destroyed and that a widely dispersed system can’t be shut down.”
Als eine der ersten gemeinsamen Aktionen haben sich die Cypherpunks für die Verteidigung von Phil Zimmermann eingesetzt. Man hat den Code von PGP für alle öffentlich zugänglich gemacht, auf T-Shirts gedruckt, in Büchern abgebildet und um die ganze Welt verschickt. Gegenüber der Regierung verteidigte man sich, dass Code «free speech» (freie Meinungsäusserung) und damit von der Verfassung geschützt sei. Die Regierung um Präsident Bill Clinton gab sich schlussendlich 1996 geschlagen und zog die aussichtslose Anklage zurück. Deswegen gibt es heute noch ein klein wenig Privatsphäre im digitalen Raum und Milliarden von Menschen profitieren von verschlüsselter Kommunikation.
Einer der aktivsten Teilnehmer dieser Cypherpunk Mailing Liste war Adam Back. Adam hat zuerst Ökonomie und später in London Computer Science studiert. Abgeschlossen hat er seine akademische Ausbildung mit einem PhD in Distributed Systems. Neben seiner aktiven Beteiligung an der Cypherpunk Bewegung war Adam Back insbesondere zentral als Erfinder des «hashcash» Algorithmus im Jahre 1997. Das Ziel war sichere und spam-freie E-Mail Kommunikation. Viel wichtiger aber ist er jetzt wegen Bitcoin. Dieser Hashcash Algorithmus fand später bei Bitcoin im «Mining»-Prozess wichtige Anwendung. So ist dann auch Adam Back einer der wenigen Personen, die direkt im Bitcoin Whitepaper erwähnt sind.
Weitere wichtige Stationen hin zu Bitcoin:
1989 – Ende 1990er «Digicash»: David Chaum und Kollegen haben die Erfindung «blind signatures» von Anfang der 80er Jahren zu Digicash weiterentwickelt. Dabei konnte Geld von Banken abgehoben werden und in «e-cash» gewandelt werden. Das Ziel waren private Transaktionen ohne Einblick des traditionellen Banksystems. Das Projekt scheiterte aufgrund der nach wie vor wichtigen zentralen Institutionen in Form von Banken.
1998 «B-Money»: Wei Dai hat Back’s Hashcash mit dem vormaligen Digicash Konzept kombiniert. Leider gab es auch da noch zentralisierte Einheiten, welche sich schlussendlich als zu schwerwiegend herausstellten. Aber Wei Dai hinterliess sehr viel nützliche Forschungsarbeit und Satoshi hat einige Male auf ihn referenziert.
1998 «BitGold»: Der amerikanische Cryptograph Nick Szabo hat zum ersten Mal ökonomische Theorien eingebaut. Während man sich vorher primär auf Technologie fokussierte, hat Szabo die Wichtigkeit der Geldpolitik erkannt. Inspiriert von den Ökonomen Friedrich Hayek und Murray Rothbard erkannte Szabo, dass Geld limitiert und mit Aufwand verbunden sein muss. BitGold wurde leider nie richtig implementiert, hat aber Bitcoin massiv beeinflusst.
2004 «RPOW» (reusable Proof-Of-Work): Hal Finney hat im Jahre 2004 die BitGold Idee weiterentwickelt. Er ermöglichte, dass man verifizierbare und kostbare «Einheiten» bspw. per E-Mail verschicken konnte. Finney hat RPOW auf seinen eigenen, sprich auch zentralisierten, Servern laufen lassen. Hal Finney ist eine zentrale Figur in der Entwicklung von Bitcoin. Er hat die erste Transaktion von Satoshi im Januar 2009 empfangen. Tragischerweise erlag er 2014 an seiner ALS Erkrankung.
Running bitcoin
— halfin (@halfin)
3:33 AM • Jan 11, 2009
Und damit kommen wir dann auch endlich zum Oktober 2008 und dem Versand des Bitcoin Whitepapers an die Cypherpunk Mailing Liste.
Was verhalf Satoshi Nakamoto schlussendlich zum Durchbruch gegenüber allen bisherigen Lösungen?
Im Oktober 2008 hat der unter dem Pseudonym Satoshi Nakamote auftretende Entdecker das Bitcoin Whitepaper an die Cypherpunk Mailing Liste geschickt. Voraus ging ein persönlicher Mail Austausch mit Adam Back. Der erste Satz in Satoshi’s E-Mail versprach die Erfüllung eines jahrzentelangen Ziels der Cypherpunk Bewegung:
«A purely peer-to-peer version of electronic cash would allow online payments to be sent directly from one party to another without going through a financial institution.”
Alle im ersten Abschnitt genannten Entwicklungen wurden in Satoshi’s Whitepaper zitiert. Im Endeffekt war der Schlüssel zum Erfolg eine Umkehr der Prioritäten. Alle bisherigen Entwicklungen haben, getreu dem Motto der Cypherpunks, Privatsphäre priorisiert. Satoshi aber hat erkannt, dass Stabilität und Sicherheit höher zu gewichten sind. So hat sich Satoshi auch immer wieder sehr kritisch zur unfairen Geldpolitik der Notenbanken geäussert. Er sagte bspw. in einem Forum:
«The root problem with conventional currency is all the trust that’s required to make it work. The central bank must be trusted not to debase the currency, but the history of fiat currencies is full of breaches of that trust. Banks must be trusted to hold our money and transfer it electronically, but they lend it out in waves of credit bubbles with barely a fraction of reserve.”
Bezeichnend dafür ist auch, dass Bitcoin nicht nach einem Überwachungsskandal von Regierungen, sondern nach der globalen Finanzkrise publiziert wurde. Im ersten Block der Bitcoin Timechain ist dann auch die Schlagzeile der Times vom 03. Januar 2009 verewigt, nämlich:
The Times / 03 Jan / 2009 Chancellor on brink of second bailout for banks
Satoshi hat also auf den Schultern der Cypherpunk Bewegung aufgebaut. Er hat es als Erster geschafft ein System zu kombinieren, welches komplett ohne Gegenparteirisiko und ohne Vertrauen in eine zentralisierte Einheit auskommt. Dieses bis dahin ungelöste Problem wird auch «Byzantine’s General Problem» genannt. Satoshi löste es dadurch, dass die Datenbank über x-tausende von dezentralen Rechnern verteilt gespeichert ist. Er meinte dazu auch:
«A lot of people automatically dismiss e-currency as a lost cause because of all the companies that failed since the 1990s. I hope it’s obvious it was only the centrally controlled nature of those systems that doomed them. I think it’s the first time we’re trying a decentralized, non-trust based system.”
Als letzten Akt seiner Überzeugung zeigt dann auch das Verschwinden von Satoshi im Jahre 2011. Bis dahin war er immer noch aktiv an der Weiterentwicklung und an der Diskussion rund um Bitcoin beteiligt. 2011 hat er aber sich selbst als letzten zentralen Faktor aus dem System genommen.
Satoshi verzichtete freiwillig auf ein Leben voller Ruhm, Ehre und riesigem Reichtum (Satoshi’s nach wie vor nicht berührte Bitcoin haben einen Wert von ca. USD 20-50 Mrd.). Das ist elementarer Teil der Bitcoin Saga und ist nach wie vor zentral in der Bitcoin Kultur.
Und was hat das jetzt mit einem Schweizer zu tun?
Die Schweiz hat historisch und kulturell viele Gemeinsamkeiten zu Bitcoin. Bei der Entwicklung haben wir aber keinen direkten Beitrag geleistet. Der einzige Bezug zur Schweiz ist Adam Back’s Mutter. Obwohl Adam Back Engländer ist und in London aufwuchs, stammt sie ursprünglich aus Zürich. Ist etwas weit hergeholt, aber mich hat die Verbindung riesig gefreut. So dürfen wir immer behaupten, Bitcoin hat in irgendeiner Form, mit grosser Distanz und über sieben Ecken einen kleinen Ursprung in die Schweiz. Man soll sich ja auch ab den kleinen Dingen im Leben freuen dürfen :-)!
@renepickhardt@LinaSeiche@_einundzwanzig_ grüezi mitenand
— Adam Back (@adam3us)
6:32 PM • Dec 5, 2021
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