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Bitcoin und die Schweiz - was verbindet uns?

Bitcoin und die Schweiz. A match made in heaven. Eines der weltweit wohlhabendsten Länder hat ähnliche Erfolgsfaktoren wie Bitcoin.

Lesezeit: 08 Minuten 45 Sekunden

Auf den ersten Blick erwartet man keine Gemeinsamkeiten. Das eine ist ein für Schokolade, Berge und Käse bekanntes Land und das andere eine für viele noch suspekte Technologie. Fernab von Heidi- und Berg-Romantik jedoch lieferte die Schweizer Bevölkerung Jahr für Jahr enorm gute Wirtschaftszahlen. Nicht verwunderlich führt die Eidgenossenschaft praktisch alle Ländervergleiche an. Und Bitcoin hat trotz hoher Volatilität die mit grossem Abstand beste Performance aller Anlageklassen gezeigt über die letzten 14 Jahre. Was macht die beiden so erfolgreich? Und gibt es vielleicht sogar Gemeinsamkeiten? Wir schauen uns das anhand von drei Erfolgsfaktoren an.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bitcoin und die Schweiz haben erstaunliche Gemeinsamkeiten.

  • Dezentralisierung ist Kern bei Bitcoin. Auch die Schweiz baut seit der Gründung auf eine weitgehend dezentrale Organisation.

  • Die direkte Demokratie erlaubt es den einfachen Bürgern, direkt das politische Geschehen der Schweiz zu beeinflussen. Auch bei Bitcoin sind die vermeintlich Kleinen die wichtigsten Akteure.

  • Der harte CHF verhalf der Schweiz zu Prosperität. Bitcoin ist die härteste Währung überhaupt.

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1. Erfolgsfaktor: Dezentrale Stabilität seit Gründung

Im Jahre 1231 wurde den Urnern die Reichsfreiheit durch König Heinrich VII zugesprochen. Damit konnte sich Uri von den Habsburgern Reichsvögten befreien. Anschliessend folgte Schwyz 1240 und Unterwalden im Jahre 1309. Die damals erlangte Reichsfreiheit dürfte die Habsburger nicht gefreut haben, aber sie waren auch noch nicht beunruhigt. Niemand rechnete damit, dass die ausgesprochenen Reichsfreiheiten auf einen Staat hinauslaufen würde. Sie sollten sich getäuscht haben.

Und zwar haben sich Vertreter von Uri, Schwyz und Unterwalden 1291 auf dem Rütli getroffen, um ihre Reichsfreiheit abzusichern und ihre Eidgenossenschaft zu beschwören. Das Ziel war die gegenseitige Verteidigung gegenüber den Habsburgern, sollten die sich doch umentscheiden, und die erlangte Freiheit als Bedrohung wahrnehmen. Und im Gegensatz zu allen umliegenden Gebieten gehörte diese Reichsfreiheit den Bürgern und nicht einem Fürsten oder einem Kloster. Die bereits damals existierende Landsgemeinde war eine frühe Form von Demokratie mit Mitspracherecht aller Männer ab 14 Jahren.

Die alte Eidgenossenschaft hat sich insbesondere durch ihre gut ausgebildeten Krieger und ihren Durchhaltewillen ausgezeichnet. Die Schlacht bei Morgarten (1315) und bei Sempach (1386) gingen in die Geschichtsbücher ein. Man konnte als einfaches Fussvolk die scheinbar übermächtigen Armeen der Habsburger besiegen. Nach diesen Siegen wuchs die Eidgenossenschaft auf 13 Gebiete an und einige weitere wurden Verbündete. Dazu kamen eroberte Gebiete, die man entweder gemeinsam oder in unterschiedlicher Zusammensetzung verwaltete. Es war ein komplexes - oder chaotisches - Bündnissystem, aber kein Staat. Quasi eine Republik, die aus 13 Mini Republiken bestand. Dezentral, eigensinnig, oft zerstritten, aber mit grosser Freiheit für Wirtschaft und Bewohnerinnen.

Schliesslich kam nach der Schlacht um Marignano im Jahre 1517 die religiöse Reformation hinzu. Zwingli war in Zürich, Calvin in Genf und die verschiedenen Regionen spalteten sich teils von der katholischen Kirche ab. Alle souveränen Mini-Staaten konnten aber selbst entscheiden, welcher Konfession sie sich anschliessen möchten.

War die Schweiz vorher dezentral, wurde sie jetzt super dezentral. (Quelle: Markus Somm "Warum die Schweiz reich geworden ist")

Die Geschichte ginge auch auch noch bis in die Neuzeit so weiter. Vorerst belassen wir es aber bei der frühzeitlichen Entstehung. Was aber ganz wichtig ist, ist dass sich die dezentralen Prinzipien bis heute durchziehen. Der Ökonom Gerhard Schwarz nennt die Schweiz dann auch "ein von unten gebauter Staat". Zwei der wichtigsten Pfeiler der Eidgenossenschaft sind das (1) Subsidiaritätsprinzip und (2) der Föderalismus. Ersteres besagt, dass der Bund nur Aufgaben übernimmt, welche die Kraft der Kantone übersteigt und die Kantone nur diejenigen, die die Kraft der Gemeinden übersteigt. Ein anschauliches Beispiel ist das Verständnis der Staatsbürgerschaft als Gemeindebürgerschaft: Man wird Bürger der Schweizerischen Eidgenossenschaft und eines Kantons, indem man Bürger einer Schweizer Gemeinde ist. Zweiteres ermöglicht, dass Kantone jeweils anders entscheiden können, gegeneinander in Wettbewerb treten und der Bund nur beschränkte Rechte hat in den Kantonen.

Diese nach wie vor gelebte Dezentralisierung macht die Schweiz zu einer äusserst stabilen Demokratie. Bisweilen für Aussenstehende sehr langsam und oftmals vermeintlich träge, aber eben stabil und ausgewogen.

Doch was hat das jetzt alles mit Bitcoin zu tun?

In diesem Blog habe ich über die Entstehungsgeschichte von Bitcoin geschrieben. Bitcoin entstand aus einer Cypherpunk Bewegung, die in erster Linie die Privatsphäre schützen wollte. Die ganze Bewegung startete in den 1970er Jahren. Mehrere gescheiterte Versuche einer digitalen - vom Staat losgelöste - Währung führten schliesslich zu Bitcoin. Satoshi Nakamoto war der Erfinder von Bitcoin und der Erste, der Stabilität und Dezentralisierung in den Vordergrund rückte. Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang dieses Zitat von Satoshi Nakamoto:

«A lot of people automatically dismiss e-currency as a lost cause because of all the companies that failed since the 1990s. I hope it’s obvious it was only the centrally controlled nature of those systems that doomed them. I think it’s the first time we’re trying a decentralized, non-trust based system.”

Die Dezentralisierung wurde insbesondere in den sogenannten "Block Size Wars" zwischen 2015 und 2017 auf die Probe gestellt. Verschiedene Bitcoiner wollten die Blockgrösse von 1MB auf mehr Speicherkapazität erhöhen. Die Blockgrösse definiert, wieviele Transaktionen auf der Bitcoin Timechain in einem Block gespeichert werden können. Grundsätzlich würde gelten, je grösser ein Block desto mehr und desto schnellere Transaktionen. Grössere Blockgrössen gehen aber auf Kosten der Dezentralisierung. Das wird auch als Blockchain Trilemma bezeichnet (Skalierbarkeit, Dezentralisierung und Sicherheit stehen im Widerspruch gegeneinander => man kann jeweils nur zwei haben). Wenn man die Blocks vergrössern würde, könnten bald nur noch professionelle Rechenzentren die ganze Historie abspeichern. Bei Bitcoin kann das jede Privatperson mit einer so genannten Node.

Aus diesen Blocksize Wars entstanden dann die vor sich hin serbelnden Kryptowährungen "Bitcoin Cash" und "Bitcoin Satoshi Vision". Beide haben den Bitcoin Code kopiert und die Blockgrösse erhöht. Sie haben also Skalierbarkeit der Dezentralisierung vorgezogen. Ein Blick auf die Wertentwicklung spricht eine deutliche Sprache:

Dezentralisierung schlägt nicht nur politische Machtkonzentration, sie setzt sich auch bei neuen Technologien durch.

2. Erfolgsfaktor: Direkte Demokratie

Ein weiterer Auswuchs des chaotischen Miteinanders in der frühen Eidgenossenschaft ist die direkte Demokratie. Als eines der wenigen Länder weltweit führt die Schweiz ein System mit direkter Mitsprache des Volkes. Mit Instrumenten wie der Initiative und Referenden hat die Bevölkerung die Möglichkeit, direkt mitzubestimmen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, welche entweder gar kein oder nur sehr beschränktes Mitspracherecht (bspw. mit einer parlamentarischen Demokratie und Wahlen alle paar Jahre), wird in der Schweiz mehrmals jährlich abgestimmt. Sowohl auf Gemeinde-, als auch auf kantonaler und Bundesebene.

Passt einem ein Entscheid nicht, oder möchte man generell etwas ändern, so sammelt man die nötigen Unterschriften und lässt das Volk darüber abstimmen.

Das führt zur bereits oben erwähnten Trägheit des Systems. Alle Entscheide können durch alle Gremien angefochten werden und alle Interessenvertreter können etwas dazu sagen. Es führt aber eben auch zu einer sehr hohen Stabilität des Systems. Im Gegensatz zu anderen Ländern hat die Schweiz kein Verfassungsgericht. Die Bevölkerung ist zuoberst und Gralshüter der Verfassung. Sollte diese angepasst werden müssen, so muss man eine Volksinitiative lancieren und die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hinter sich bringen.

Und wie bringt man diese direkte Demokratie in Zusammenhang mit Bitcoin?

Im Bitcoin System sind Nutzer (logisch), Node-Betreiber und Miner wichtig. Wobei Nutzer und Node-Betreiber idealerweise dieselbe Person wären. Wie oben beschrieben, ist es aufgrund der dezentralen Architektur ein leichtes für alle, eine Node zu betreiben. Mehr dazu in einem nächsten Blog. Vorerst gehen wir der Einfachheit halber von drei Akteuren aus.

Das Bitcoin Protokoll ist Open-Source Software. Das heisst, alle Leute können den Code einsehen und Änderungen vorschlagen. Solche Änderungsvorschläge werden als BIP (Bitcoin improvement protocol) in die Community gereicht. Während das alle machen können, sind das primär die Bitcoin Core Developer, die den Code weiterentwickeln und auch die BIP diskutieren. Diese Developer arbeiten übrigens oft anonym und werden von der Community gesponsert.

Nachdem eine BIP, nach oft jahrelanger und immer öffentlicher Diskussion und Tests für gut empfunden wird, kommen die Nodes und die Miner in's Spiel. Und eben auch gewissermassen die direkte Demokratie. Möchte man nämlich signifikante Änderungen am Protokoll vornehmen (bspw. oben genannte Vergrösserung der Blockgrösse), so wären 95% Zustimmung der Nodes notwendig.

Es sind nicht die oftmals grossen professionellen Firmen, welche als Bitcoin Miner auftreten. Nein - die wirkliche Macht liegt bei den Bitcoin Node Betreibern. Diese Node Betreiber sind zu Tausenden global verteilt. In den Blocksize wars 2017 haben Miner bspw. die grösseren Blockgrössen unterstützt, da sie so mehr verdienen konnten. Die Nodes haben es aber abgelehnt, deshalb kam es zur Abspaltung.

Und genau das macht Bitcoin so stabil und sicher. Es ist ein dezentral organisiertes, oftmals anonymes und nicht mehr kontrollierbares, Netz von Durchschnittsbürgern welche über den weiteren Verlauf der Bitcoin Timechain bestimmen.

3. Erfolgsfaktor: Harte Währung

Über mehrere tausend Jahre hat sich Gold als Währung durchgesetzt. In der Neuzeit ist man aber davon abgekommen. Geld wie wir es heute kennen, ist dementsprechend überraschend jung. Geboren 1971 um genau zu sein.

Ab ca. 1873 haben lokale Währungen jeweils einen fixen Umwechslungskurs in Gold verfolgt. Das hat verhindert, dass Politiker und Bevölkerung über ihren Verhältnissen leben konnten, da alle ausgegeben Noten durch Gold hinterlegt sein mussten. Insbesondere in der Weimarer Republik hat man diese Besicherung aber nach dem ersten Weltkrieg aufgegeben. Man wollte die Kriegsschulden mit einer schwachen Währung begleichen. Was folgte war Hyperinflation ("When Money dies" ist ein sehr empfehlenswertes Buch zu dieser Epoche) und der Aufstieg Hitlers.

Anschliessend haben die Alliierten unter Schirmherrschaft der Amerikaner im Jahre 1944 das Bretton-Woods-System einberufen. Im Gegensatz zu früher, diente nun der USD (und nicht mehr Gold) als Reservewährung für andere Währungen. Der USD wiederum sollte mit Gold hinterlegt sein. Das heisst, Währungen wie der französische Franc oder das britische Pfund wurden mit USD hinterlegt, dieser wiederum mit Gold.

1971 musste aber der damalige Präsident Nixon verkünden, dass auch die USA über ihre Verhältnisse lebte und den Austausch von USD in Gold nicht mehr gewährleisten könne. Die USA war de-facto Konkurs. Und seither befinden wir uns in einem System, welches auf dem Vertrauen von Notenbanken und Politik beruht. Was diese konstante Abwertung und die schwache Währung mit sich bringt, ist auf der Webseite wtfhappenedin1971.com schön visualisiert.

Wo spielt jetzt hier die Schweiz und Bitcoin eine Rolle?

Im Gegensatz zu anderen Währungen ist die Schweiz als Letztes von dieser Gold Deckung abgewichen. Nämlich erst im Jahre 1992 durch den Beitritt zum IWF. Bis dahin war die SNB (Schweizerische Nationalbank) verpflichtet, mindestens 40% des CHF in Gold zu sichern. Das sicherte der Schweiz und der Nationalbank den Ruf der geldpolitischen Disziplin und einer starken Währung. Was eine starke Währung mit sich bringt, werden wir gerne in einem anderen Blog thematisieren. Aber die Folgen mit einer starken, fitten Wirtschaft und einer sparsamen Politik sind offensichtlich. Auch wenn wir teilweise leider davon abgekommen sind.

Und was ist mit Bitcoin? Nun, das ist ganz einfach. Bitcoin ist die härteste Währung, die es je gab. Es ist der erste Vermögenswert, der absolut inelastisch auf erhöhte Nachfrage reagiert. Egal wieviele Leute es interessiert, es wird immer max. 21 Millionen BTC geben. Und Geld wird langfristig in die harten Währungen fliessen - niemand möchte auf einem Fass ohne Boden sitzen.

Fazit

Der Blog ist schon viel zu lange. Eigentlich gäbe es noch andere spannende Erfolgsfaktoren (wie bspw. geografisch gut gelegen, Glück, Neutralität, offene Volkswirtschaft und offene Kultur, Immigration und freie Märkte). Leider fehlt dafür heute die Zeit. Aber wie man vielleicht merkt, sind es Themen die mir auch persönlich am Herzen liegen. Ich habe das grosse Glück und Privileg in einem der schönsten und erfolgreichsten Länder überhaupt aufgewachsen zu sein. Dieses Glück baut auf verschiedenen Erfolgsfaktoren, zu denen ich nichts beitrug, aber davon profitieren darf. Wir haben in den letzten Jahren einige dieser Erfolgsfaktoren etwas aus den Augen verloren. Ich glaube, es ist elementar wichtig, dass wir diese selbst wieder wertschätzen und sie insbesondere auch in die Welt hinaustragen. Bitcoin erlaubt uns das.

Nicht weiter überraschend, unterstütze ich natürlich dementsprechend auch den Vorschlag von Luzius Meisser, wonach die SNB einen kleinen Teil ihrer Währungsreserven in Bitcoin halten sollte. Wer, wenn nicht die Schweiz?

Weitere Ressourcen

Ich habe mich bei diesem Text auf verschiedene externe Ressourcen und Quellen abgestützt. Insbesondere hervorheben möchte ich aber diese Bücher:

  1. Markus Somm "Warum die Schweiz reich geworden ist". In enorm abgekürzter Version, resp. als Teaser.

  2. Gerhard Schwarz "Die Schweiz hat Zukunft". Zusammengefasst hier.

  3. Saifedean Ammous "Bitcoin" & "Fiat" Standard

Meme of the week: Passend zum heutigen Bericht :-)

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