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Währungs- und Entwicklungspolitik des Grauens - Blut an den Händen des Westens (Teil I)

Wie der Westen dank der Kreditvergabepolitik des IWF und der World Bank profitiert. Arme Länder werden langfristig unterdrückt, Diktatoren an der Macht gehalten und wertvolle Rohstoffe von den armen zu den reichen Nationen verfrachtet. Und das alles unter dem Deckmantel der "Entwicklungspolitik".

Lesezeit: 09 Minuten 25 Sekunden

Gerade während der momentan stattfindenden WM ist die Empörung ob der Gräueltaten eines weit entfernten und korrupten Landes unüberhörbar. Egal in welcher Zeitung, welcher Fernsehsendung oder an welchem Stammtisch - die Scheichs aus Katar und die FIFA sind die Allerletzten. Vermutlich ist da auch wirklich viel schief gelaufen, die Korruption gross und Menschenrechte werden mit Füssen getreten. Das ist alles zu verurteilen. Und trotzdem ist der stets mitschwingende, unglaublich arrogante, Paternalismus des Westens schwer erträglich. Immer und überall auf die Bösen zeigen, möglichst selber nicht in den Spiegel schauen und uns stattdessen auf die Schultern klopfen, wie gut wir doch alle sind. Das können wir.

Spätestens seit ich über die nach wie vor existierende Kolonialwährung CFA und die damit einhergehende Ausbeutung 15 afrikanischer Staaten recherchierte, weiss ich, dass die Realität leider ganz anders aussieht. Wir, das heisst die USA und Europa, stehen an vorderster Front der Ausbeutung. Und zwar u.a. unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und der World Bank.

Inspiriert durch dieses sehr informative Essay von Alex Gladstein, CSO der Human Rights Foundation, und zwei damit einhergehende Podcasts (Links am Ende), möchte ich euch hiermit diese erschreckende und beschämende Realität aufzeigen. Der ganze Bericht wird über voraussichtlich drei Teile publiziert, heute starten wir mit dem ersten.

Teil 1 - Das Wichtigste in Kürze

  • USA und EU besitzen Veto Recht für alle Entscheidungen des IWF und der World Bank

  • Entwicklungskredite und -projekte des IWF und der World Bank dienen in erster Linie der weiteren Ausbeutung von Entwicklungsländern

  • Diktatoren und Tyrannen profitieren von der Unterstützung, Bevölkerung der Länder blutet

  • Kredite müssen nicht nur mit Zins zurückbezahlt werden, sie beinhalten auch Forderungen der strukturellen Anpassung. Mit diesen strukturellen Anpassungen werden Wirtschaft und Landwirtschaft umgebaut und reiche Länder haben Zugriff auf günstige Rohstoffe.

Die World Bank und der Internationale Währungsfonds

Der IWF und die World Bank sind Schwesterorganisationen und gehören beide zur UNO. Während sich der IWF als letztmöglicher Kreditgeber für Staaten positioniert, ist die World Bank die grösste Entwicklungsbank der Welt. Beide haben ihren Hauptsitz in Washington DC und wurden 1944 im Zuge der Bretton Woods Konferenz gegründet. Seit Beginn ist der IWF europäisch und die World Bank US-amerikanisch geführt.

Länder müssen beim IWF Mitglied sein um von der World Bank zu "profitieren". Mitglied werden sie, indem sie sich mit Gold, USD, Euro und einem Teil ihrer eigenen Währung in einen Reservepool einkaufen. Kann ein Land Kredite nicht mehr zurückzahlen, schreitet der IWF ein und leiht Geld aus diesem Pool zu höheren Raten zurück. Der IWF ist dementsprechend eine de-facto supranationale Nationalbank mit einer eigenen Währung, den special drawing rights (SDR). Diese besteht aus 45% USD, 29% Euro und weiteren Währungen. Insgesamt kann der IWF umgerechnet rund eine Billion USD leihen.

Zwischen 1960 und 2008 hat der IWF in erster Linie kurzfristige Kredite mit hohen Zinsen an Entwicklungsländer vergeben. Die meisten Entwicklungsländer haben aber keine eigene starke, resp. frei handelbare Währung. Folglich mussten sie ihre Exporte in USD oder anderen IWF nahen Währungen abwickeln. Bspw. kann Ghana keinen Kredit des IWF mit ihrer Lokalwährung zurückzahlen. Sie mussten also von Anfang an auf härtere Währungen im Export setzen. Diese härteren Währungen (USD, Euro etc.) werden arbiträr un in grossen Mengen gedruckt. In den Entwicklungsländern muss man für die Rückzahlung der Kredite arbeiten, im Westen wird die Währung gedruckt. Da diese Rückzahlung aber oftmals schlicht unmöglich ist, resp. auch von den jeweils regierenden Diktatoren nicht gewünscht, werden die Kredite einfach gerollt. Ein neuer Kredit bezahlt den alten zurück und weiter geht das Schneeballsystem.

Die World Bank auf der anderen Seite vergibt sektorspezifische Kredite. Bspw. werden Infrastrukturprojekte (Strassen, Flughäfen etc.) gebaut oder Industriepolitik betrieben. Mit dieser Infrastruktur werden Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte für den Export transportiert. Zu der Billion des IWF kommen noch rund 350 Milliarden USD der World Bank an ausgegeben Krediten.

Wer wie bestimmen kann

Stimmrechte werden bei beiden Institutionen nicht aber durch die Anzahl Einwohner bestimmt. Nein, diese wurden vor bald 70 Jahren definiert und seither nur leicht verändert. Die USA hält bspw 16.5% der Stimmrechte am IWF und 15.6% an der World Bank. Damit hat die USA Veto Rechte über alle Entscheidungen, da diese immer 85% Zustimmung benötigen. Dasselbe gilt für die EU, welche zusammen auch weit über 15% erreicht.

Demgegenüber steht bspw. Indien 1.4 Milliarden Einwohner und lediglich 2.63% Stimmrechten. Sie haben also weniger Rechte als ihre ehemaligen Kolonialisten (UK mit 3.87%), obwohl sie über 20x mehr Einwohner zählen. Brasilien und Nigeria, die beiden grössten Länder Südamerikas und Afrikas, haben zusammen weniger Stimmrechte als Italien. Und zu guter Letzt:

Die Schweiz hat mit 1.47% bei der World Bank und 1.17% Stimmrechten beim IWF mehr Gewicht als Pakistan, Indonesien, Bangladesh und Äthiopien zusammen. Obwohl wir über 90-mal weniger Einwohner zählen.

Diese Stimmrechte sollten ungefähr die Wirtschaftskraft abbilden. In Realität ist es einfach Kolonialismus 2.0. Etwas weniger offensichtlich, etwas weniger Medienpräsenz, etwas weniger schlechtes Gewissen. Aber dafür umso heuchlerischer und ganz sicher nicht besser.

Insbesondere während den letzten zwei Jahren wurden die IWF und World Bank Kreditlinien wieder massiv erhöht. Neben den Covid Lockdowns haben verschiedenste Länder mit den steigenden USD Zinsen zu kämpfen. Das führt dann bspw. zu einem USD 3 Mrd. bail-out Kredit an den ägyptischen Diktator Abdel Fattah El-Sisi, welcher für das grösste Massaker an Protestierenden seit dem Tiananmen Square verantwortlich ist. Oder die World Bank mit USD 300m an die äthiopische Regierung, welche für den Genozid von Tigray verantwortlich ist.

Durch genau diese immer wiederkehrenden Kredite an Diktatoren und Tyrannen kommt die Bevölkerung nie aus dem Schlamassel und die westliche Welt profitiert davon. Sei es in Form von Zinszahlungen (ein immer rollender Kredit fällt nie aus, solange Zinsen bezahlt werden) oder in Form von Rohstoffen oder ähnlichem (dazu später mehr). Die Dimensionen dieser Kredite sind schier unglaublich. Neben dem Fakt, dass knapp 160 Länder oder 2/3 der Weltbevölkerung betroffen ist, so ist insbesondere auch die Verknüpfung mit der restlichen Finanzwelt schwer nachzuvollziehen. Im Buch des Historikers Graham Hancock "The Lords of Poverty: The Power, Prestige, and Corruption of the International Aid Business" wird geschätzt, dass auf "jeden Dollar des IWF, zwischen vier und sieben Dollar von westlichen Geschäftsbanken und reichen Regierungen dazukommen." Diese geben natürlich gerne weitere Kredite. Hoch verzinslich, Rohstoffreich, von einem Diktator regiert und durch den IWF und die World Bank besichert. Was will man mehr? Nur die Bevölkerung spielt in dieser Gleichung keine Rolle.

Da ist die Ehrlichkeit von Richard Nixon (1970, NYT) gegenüber den Teflon-Politikern von heute ein wahrer Segen:

"Let us remember that the main purpose of aid is not to help other nations but to help ourselves."

Strukturelle Anpassungen als Kreditbedingung

In den letzten Wochen konnte man einige Schlagzeilen lesen, wie Vertreter des IWF bspw. in Sri Lanka oder Ghana waren und weitere Kredite sprachen. Dabei ging es aber nicht um einfach normale Kredite, sondern es wurden so genannte "Structural-adjustment loans" gesprochen. Dabei verpflichten sich die Länder jeweils, ihre Wirtschaftspolitik gemäss den Wünschen des IWF resp. der World Bank zu ändern. Dies beinhaltet eigentlich immer die Steigerung der Exporte auf Kosten inländischer Konsums. Die Entwicklungshelferin Cheryl Payer thematisiert diese Strukturanpassungs-Kredite in ihrem Buch "The Debt Trap: The International Monetary Fund and the Third World".

Payer schreibt in ihrem Buch, dass die Strassen und Dämme die jeweils durch die World Bank finanziert werden, nie dem inländischen Konsum helfen. Es sind immer Projekte, die internationalen Firmen und Regierungen helfen, die Rohstoffe einfacher und günstiger zu exportieren.

Erreicht wird das mit einem sogenannten "stand by agreement" zu den jeweiligen Kreditverträgen. Die Kredite werden nur ausbezahlt, wenn das Land die vom IWF definierten Forderungen erfüllt. Die Forderungen in diesen "stand by agreements" sind eigentlich immer ähnlich. Entwicklungsländer wurden jeweils gezwungen, alle oder einen Teil dieser Forderungen umzusetzen, sonst wären die Kredite nicht ausbezahlt worden. Diese Abmachung nennt man auch den "Washington Consensus".

  1. Abwertung der jeweiligen Landeswährung

  2. Abschaffung oder starke Reduktion des Währungswechsels und Import Kontrollen

  3. Minimierte Ausgabe von lokalen Bankkrediten

  4. Höhere Zinsen für lokale Geschäfte und Privatpersonen

  5. Höhere Steuern im Land

  6. Beendigung von Subventionen auf Nahrungsmittel und Energie

  7. Lohnobergrenzen für die Einwohner

  8. Restriktionen bei Staatsausgaben, insbesondere im Gesundheitswesen und in der Bildung

  9. Vorteilhafte gesetzliche Rahmenbedingungen für internationale Grosskonzerne

  10. Verkauf von Staatsbetrieben und Verkauf von Rohstoffen zu Spottpreisen

Die World Bank auf der anderen Seite hat andere wichtige Punkte. Diese wären:

  1. Anbindung von vorher nicht erschlossenen, aber ressourcenreichen Gebieten

  2. Unterstützung von internationalen Firmen bei der Förderung von Rohstoffen

  3. Produktion von für den Export relevanten Gütern

  4. Verbesserung von gesetzlichen Rahmenbedingungen und steuerliche Vorteile für ausländische Investoren

  5. Abbau von Gewerkschaften und Mindestlohnbestimmungen

  6. Beendigung der Unterstützung lokaler KMU

  7. Limitierung des Anbaus von Nahrungsmitteln für die lokale Bevölkerung und stattdessen Ausbau von für Export relevanten Produkten

Nicht überraschend, fokussieren sich auch alle ehemaligen Kolonialmächte auf die "Entwicklung" ihrer ehemaligen Kolonien. Eines dieser Projekte ist der bereits thematisierte CFA, die nach wie vor existierende Kolonialwährung von Frankreich ggü. 15 afrikanischen Ländern. Diese Währung wurde 1994 in Absprache mit dem IWF über Nacht um 50% abgewertet.

Ganz offensichtlich sind die Folgen für die jeweiligen Länder desaströs. Tiefe Löhne, Armut und Elend sind die Folgen dieser Politik. Aus ehemals normalen Krediten wurden immer mehr solche "structural-adjustment loans". Diese werden nicht nur immer grösser im Betrag (um die alten zurückzuzahlen), sondern es gibt auch einen immer länger werdenden Katalogen an Forderungen. Unter der ehemaligen Vorsitzenden des IWF und heutigen Vorsitzenden der EZB, Christine Lagard, wuchs die Anzahl Forderungen struktureller Anpassung auf 20 pro Kredit.

Als Folge dieser Strukturanpassungen und um der ganzen Perversion noch einen oben drauf zu setzen, sieht man auch immer mehr so genannte "double loans". So werden Projekte in den Entwicklungsländer "unterstützt", die Länder werden aber verpflichtet, die Umsetzung mit ausländischen Firmen umzusetzen. So zeigt der Historiker Graham Hancock auf, dass 70 Cent von jedem Dollar aller US Hilfskrediten de-facto das Land nie verlassen, sondern direkt in Aufträge inländischer Firmen gesteckt wird. In der UK sind es sogar 80% aller Hilfsgelder im Durchschnitt. In einem Jahr hat die UK bspw. GBP 495m and Hilfsgelder gesprochen und im Gegenzug haben britische Firmen Aufträge in der Höhe von GBP 616m erhalten.

Es ist ein Hohn in diesem Zusammenhang von Entwicklungshilfe zu sprechen. Die lokale Bevölkerung hat gar nie eine faire Chance da raus zu kommen. In sozialistischen Kreisen muss in solchen Debatten immer mal wieder die freie Marktwirtschaft als Sündenbock herhalten. Die Wahrheit könnte ferner nicht sein. Das Gegenteil ist der Fall. Diese Praktiken sind nichts anderes als Auswüchse zentralisierter Macht mit grotesk unmoralischen Menschen an der Spitze.

Was folgt in Teil II

Im nächsten Teil thematisieren wir die "IWF und World Bank als Kredithaie", "wie die Rohstoffzufuhr aus dem Kolonialismus ersetzt wurde" und die "Landwirtschaftliche Abhängigkeit der Entwicklungsländer".

Später gehen wir dann noch auf konkrete Beispiele und schliesslich auf einen möglichen Lösungsweg aus dem Dilemma ein.

Weitere Ressourcen

Wie eingangs erwähnt, stammt praktisch alles hier vermittelte Wissen von Alex Gladstein. Dazu zählen insbesondere drei wichtige Ressourcen:

Meme of the week: Etwas zur aktuellen Jahreszeit

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