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Rot-Grüne Politik und Bitcoin - Wie passt das zusammen?

Bitcoin geniesst in linken politischen Kreisen immer noch ein zweifelhaftes Image. Wieso das aber falsch ist und Bitcoin mitunter die ureigensten Interessen der Sozialdemokratinnen und Grünen unterstützt, erfahrt ihr hier.

Lesezeit: 07 Minuten 45 Sekunden

In den Medien wird Bitcoin oftmals als Abklatsch libertärer oder neoliberalen Utopien abgetan. Ein paar ganz Verwirrte versuchen Bitcoin gar in eine rechtskonservative Ecke zu stellen. Während ich Ersteres noch gewissermassen verstehen kann, resp. Bitcoin sicher Elemente des klassischen Liberalismus abdeckt, ist Zweiteres Schwachsinn. Aber es entspricht leider dem Zeitgeist, dass man alles schubladisiert und in schwarz/weiss einteilt. Solche falschen Medienberichte führen in linken Kreisen fälschlicherweise zu Skepsis oder gar zu Abneigung. Wieso Bitcoin aber unter anderem ureigene Bedürfnisse linker Politik abdeckt und gleichzeitig "unpolitisch und hochgradig politisch" ist, erklären wir heute.

Worum geht's genau?

  1. Inwiefern steht Bitcoin in der Kritik linker Politik?

  2. Vier Gründe, wieso rot-grüne PolikerInnen Bitcoin lieben müssten

  3. Lässt sich Bitcoin überhaupt politisch einordnen?

  4. Weitere Ressourcen und progressive Bitcoiner

  5. Meme of the week: Haushaltskasse(n) in a nutshell

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Inwiefern steht Bitcoin in der Kritik linker Politik?

Es ist grundsätzlich eine Abneigung in rot-grünen Kreisen festzustellen. Sei es bspw. bei der Wochenzeitung, welche mit dem wenig schmeichelhaften Titel "Bitcoin: Dieses Geld kommt schon dreckig zur Welt" aufwartete. Oder die beiden Schweizer SP Nationalräte Jon Pult und Roger Nordmann, die regelmässig ihren Missmut zum Besten geben. Auch international sieht man viele kritische und verbietende Voten auf linker Seite. So hat sich bspw. Elizabeth Warren, ihres Zeichens demokratische Senatorin, als grosse Kritikerin von Bitcoin hervorgetan. Die Spenden von Krypto-Betrüger Sam Bankman-Fried hat sie derweil aber natürlich gerne akzeptiert.

Sie alle haben eines gemeinsam. Sie sind furchtbar schlecht informiert und zeigen in praktisch allen Äusserungen, dass sie die elementarsten Fakten der Technologie nicht verstehen (wollen). Das heutige politische Mantra lautet anscheinend, wenn jemand aus einem anderen politischen Lager etwas gut findet, muss man zwingend dagegen sein. Am liebsten noch ohne dass man sich 60 Minuten in die Materie eingelesen hat. Das gilt im übrigen leider für alle politischen Richtungen und ist mitnichten nur ein linkes Phänomen.

Warum das aber nicht so sein sollte und Bitcoin, ganz im Gegenteil, grosse Vorteile für sozialdemokratische und grüne Anliegen mit sich bringt, erklären wir hier:

Vier Gründe, wieso rot-grüne PolitikerInnen Bitcoin lieben müssten

Sobald man die oben erwähnten 60 Minuten investiert, sollten die Gründe offensichtlich sein. Heute starten wir mit den ersten fünf, für die weiteren sei am Ende des Artikels gesorgt.

Proof-of-Work vs. Proof-of-Stake

Von linker Seite wird richtigerweise immer wieder auf die Divergenz zwischen Arbeit und Kapital hingewiesen. Auf dem Twitter Profil von Nationalrätin Badran finden sich mehr als 30 Tweets, in denen sie die Bevorteilung von Kapital gegenüber Arbeit kritisiert. Untenstehend ein älteres Beispiel um die Beständigkeit der Forderung hervorzuheben. Ich muss Frau Badran zu Gute halten, dass ich dank ihren Tweets schon einiges diesbezüglich lernen durfte. Und ich finde, sie hat in vielen Punkten recht. Seit einigen Jahren (ca. 50 um genau zu sein) verliert Arbeit ggü. Kapital tatsächlich an Bedeutung. Mein präferierter Weg zur Lösung des Problems wäre ein anderer als ihrer, aber bei der Problemanalyse an sich sind wir uns einig.

Doch was hat das jetzt mit Bitcoin zu tun? Es liegt direkt im Namen des Konsens-Mechanismus. Und zwar ist PoW (Proof-of-Work) essenzieller Bestandteil von Bitcoin. Beweis der Arbeit. Ohne PoW kein Bitcoin. Übersetzt heisst das, Miner müssen "arbeiten", dass sie mit Bitcoin belohnt werden. Auf der anderen Seite gibt es den Proof-of-Stake Mechanismus bei anderen Kryptowährungen und dem bestehenden Fiat Finanzmodell. Beweise, was du hast. Wer hat, dem wird gegeben und die bestimmt, wo es lang geht.

Der PoW Mechanismus sichert im Gegensatz dazu die Fairness des Systems. Es erlaubt allen unter gleichen Bedingungen mitzumachen, man muss einfach dafür arbeiten. Das heisst, man muss Energie (=Arbeit) aufwenden. Aber mitmachen können, im Gegensatz zu bestehenden Proof-of-Stake Mechanismen, alle mit gleichen Bedingungen.

Entstehung und "Occupy Wallstreet" Bewegung

Die erste Transaktion von Bitcoin fand im Januar 2009 statt. Das ist kein Zufall, sondern vielmehr als direkte Antwort auf die Finanzkrise zu sehen. Während Cypherpunks bereits mehr als 30 Jahre an einer anonymen Digitalwährung entwickelten, gelang schliesslich Satoshi Nakamoto der grosse Durchbruch im Zuge der Finanzkrise. Satoshi hat seinen Unmut über das Finanzsystem auch damit zum Ausdruck gebracht, indem er die Schlagzeile der Times vom 03. Januar "Chancellor on brink of second bailout for banks" in der ersten Bitcoin Transaktion gespeichert hat.

Das heisst, im Kern und bei der Entstehung von Bitcoin liegen gleiche Frustrationen zu Grunde wie bei der Occupy Wallstreet Bewegung. Aber wie im Cypherpunk Manifesto festgehalten, versucht man offensichtliche Probleme mit Code zu lösen und nicht mit politischer Einflussnahme. Oder anders und vielleicht etwas zynisch gesagt, man löst Probleme und schreit nicht nur laut. Aber auch hier sind die Probleme die gleichen, nur der Weg zur "Lösung" ist halt einer mit Substanz.

Welche Probleme lagen der grossen Finanzkrise zu Grunde und was führte zur Frustration? Eine Kombination vieler verschiedenen Punkte, die wir hier leider nicht alle im Detail beleuchten können. Zwei wichtige Faktoren liegen aber an der Wurzel des heutigen Finanzsystems. Beide Faktoren werden durch Bitcoin gelöst und beide Faktoren sollten Kern linker Anliegen sein.

Seigniorage und Cantillon Effekt

Seignio-What? Sowohl Seigniorage als auch der Cantillon-Effekt dürften den Wenigsten etwas sagen. Zumindest war das bei mir so. Beide Begriffe sind aber sehr wichtig, um die heutige Geldpolitik besser zu verstehen.

Seigniorage ist der Unterschied zwischen Produktionskosten und Wert von Geld. Bspw. eine CHF 100.- Note kostet in der Produktion 40 Rappen. D.h. Seigniorage ist CHF 99.60. Seigniorage bedeutet dann auch, dass der Anreiz Geld zu drucken enorm hoch ist, da es nur marginale Kosten zur Folge hat, der Wert aber ungleich grösser ist. War das nicht schon immer so? Nein, das war mitnichten schon immer so. Erst seit 1971 waren Fiat-Währungen nicht mit Gold hinterlegt. In der Schweiz war das sogar erst im Jahre 1997 der Fall (wenn auch nicht zu 100% Deckung durch Gold am Schluss). Und das Schürfen von Gold korreliert langfristig mit dem Preis. Wenn der Preis von Gold in die Höhe steigt, werden Mineure incentiviert mehr Gold zu schürfen und wenn der Preis von Gold sinkt, müssen sie das Schürfen einstellen. Bei Bitcoin ist das auch der Fall, der Preis wird langfristig mit der Hash-Rate, d.h. mit der aufzuwendenden Arbeit (=Energie), korrelieren. Und kann eben genau nicht einfach nach Belieben gedruckt werden wie Fiat- oder andere Krypto-Währungen. Nun dürfte eingewendet werden, dass ja nicht beliebig gedruckt wird, sondern der Staat die besten Interessen der Bürger:innen vertritt. Das mag in der Schweiz stimmen (dazu gehen die Meinungen auseinander...), ist aber global ganz sicher nicht durchgehend der Fall. Desweiteren führt eben genau der Anreiz zum Gelddrucken mitunter zum sogenannten Cantillon Effekt.

Der Cantillon Effekt beweist, dass Gelddrucken nicht flächendeckend zu verbesserten Bedingungen führt. Im Gegenteil, gratis Geld (d.h. die Geldpolitik der letzten 14 Jahre) hat massive Vorteile für Banken, staatsnahe Unternehmen und andere politische begünstigte Organisationen. Er besagt quasi, je näher man am Gelddrucker sitzt, desto mehr profitiert man. Bäcker, Maler und andere handwerkliche, resp. arbeitende Berufe profitieren praktisch nichts. Im Gegenteil, sie tragen die Kosten der Inflation.

Nun kann man einwenden, dass sich linke Parteien nicht gerade als grosse Kritiker von staatsnahen Betrieben und politisch begünstigten Organisationen hervortun. Aber der Cantillon Effekt begünstigt eben vor allem auch die Hochfinanz, d.h. die klassischen "Eliten", die von linker Seite regelmässig kritisiert werden. Bitcoin verhindert diesen Cantillon Effekt. Es kann gar keine arbiträre Bevorzugung geben. Das einzige was zählt, ist investierte Arbeitsleistung (Energie).

Zusammengefasst ist wichtig, dass Bitcoin die globale Chancengleichheit erhöht und positiv für die von Inflation betroffenen Menschen ist. Die aufgrund des Cantillon Effekts immer grösser werdende Vermögensschere kann in dieser Form nicht weiter aufgehen. Arbeit gewinnt gegenüber Kapital massiv an Bedeutung.

Erneuerbare Energien

Und last but not least gehen wir auch noch kurz auf explizit grüne Anliegen ein. Und zwar war Bitcoin in der Vergangenheit öfter in der Kritik wegen dem Energieverbrauch. Mittlerweile hat sich diese absurde Kritik etwas abgeschwächt. Ich habe in diesem Bericht auch darüber geschrieben. Es wird vielen bewusst, dass konträr zu dieser Kritik, Bitcoin beim Ausbau erneuerbarer Energien helfen wird wie kein anderes Gut. Und zwar aus rein wirtschaftlichen Gründen.

Erneuerbare Energien haben den Nachteil, dass sie leider nicht beständig Energie liefern können. Solar produziert nur Energie wenn die Sonne scheint, Wind nur wenn der Wind bläst. Nun sind die menschlichen Energie-Bedürnisse halt leider zeitlich nicht abgestimmt auf diese wetterbedingten Schwankungen. Eine Option wäre, die Energie in nach wie vor sehr umweltbelastenden und teuren Batterien versuchen zu speichern. Eine andere Option wäre aber, in Zeiten von Energie-Überproduktion Bitcoin zu minen. Bitcoin Miner sind wirtschaftlich dazu angehalten, die günstigste Energie zu verwenden. Das ist immer dann der Fall, wenn es keine Verwendung dafür gibt. Und genau das entdecken immer mehr Energieversorger. An Überproduktionen zu verdienen ermöglicht erstmals einen wirtschaftlichen Ausbau erneuerbarer Energien.

In den USA ist dieses Verständnis schon sehr gross. Da geht es sogar noch einen Schritt weiter. Da gibt es riesige Mining-Farmen, die sowieso in die Atmosphäre tretendes und höchst schädliches Methan zur Sicherung des Bitcoin Netzwerks verwenden. Das war bislang einfach verpuffende und verschmutzende "Energie". Jetzt wird das stabilste Geldsystem damit gesichert und der Umwelt wird geholfen. Einige Experten in den USA gehen deshalb davon aus, dass Bitcoin bis 2025 nicht nur CO2 neutral, sondern CO2-negativ wird.

Dies sind nur vier Gründe, welche linke PolitikerInnen zumindest zur kritischen Auseinandersetzung mit Bitcoin ermuntern sollte. Zwei der Wichtigsten aber habe ich hier noch aussen vor gelassen. Nämlich, dass 1. weltweit 1.8 Mrd. Menschen keinen Zugriff zu einem funktionierenden Finanzsystem haben und 2. 15 Länder auf dem afrikanischen Kontinent unter monetärem Kolonialismus ächzen. Beide Probleme werden durch Bitcoin gelöst. Ersteres verdient einen eigenen Bericht, über Zweiteres habe ich bereits geschrieben. Die Lösung beider müssten linke Parteien zuoberst auf dem Parteiprogramm haben.

Lässt sich Bitcoin überhaupt politisch einordnen?

Bitcoin ist paradoxerweise so unpolitisch wie sonst kaum etwas und höchst politisch zeitgleich.

Unpolitisch deshalb, weil es absolut keine Rolle spielt, was irgendjemand denkt, welcher Partei sie/er angehört, zu welchem Geschlecht man sich hingezogen fühlt, ob man klein/gross/dick oder dünn ist. Bitcoin funktioniert einfach. Alle 10 Minuten ein neuer Block. Ganz egal wie gross der politische Druck ist, wie laut die Medien den Untergang herbeirufen und ob ein rechter/linker/libertärer Twitterer dafür oder dagegen twittert. Bitcoin kümmert's absolut nicht. Ich finde das auch nach mehreren Jahren intensivster Auseinandersetzung mit der Materie etwas vom faszinierendsten. Tick tock next Block.

Auf der anderen Seite ist das erklärte Ziel von Bitcoin, Geld und Staat zu trennen. Geld ohne politische Einflussnahme ist per Definition ein höchst politischer Akt. Ich hoffe, mit den obigen Zeilen aufgezeigt zu haben, dass genau diese Trennung sehr viele Vorteile für sämtliche politischen Einstellungen hätte.

Da hilft teilweise der Blick über die Grenzen. Selbst wenn man die Meinung vertritt, in der Schweiz sollte der Staat (noch) mehr Macht haben, noch grösser sein, ja selbst dann muss man doch so ehrlich sein und sagen, dass die Staatsmacht in anderen Ländern sehr schreckliche Züge für die Bevölkerung zeigt. Und ein Einsatz für diese Menschen sollte ein elementares Anliegen linker Politik sein. Denn wie Cosmo Crixter in seinem offenen Brief an die EZB diese Woche richtigerweise sagte: "Above all nations is humanity".

Weitere Ressourcen und Links zu progressiven Bitcoiner

Insbesondere im angelsächsischen Raum tun sich mittlerweile viele linksliberale und progressive Bitcoiner hervor. Untenstehend verweise ich gerne auf einige Personen und weiteren Ressourcen:

Und noch ganz viele mehr. Bleibt zu hoffen, dass die brillante Lyn Alden Recht behält und man von links bis rechts, von oben bis unten und vom Süd- zum Nordpol die Vorzüge dieser faszinierenden Entdeckung versteht.

Meme of the week: Haushaltskasse(n) in a nutshell

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